Ein Logistikmanager feiert eine 15-prozentige Kostenreduktion bei einer Routenoptimierung – nur um später zu entdecken, dass die CO2-Emissionen hier um 25 Prozent gestiegen sind. Ein fiktiver Einzelfall? Lesen Sie jetzt, warum nachhaltige KPIs als Erweiterung zu traditionellen Kennzahlen betrachtet werden sollten: Sie sind deren Evolution und bieten vollständigere, präzisere, zukunftsfähigere Entscheidungsgrundlagen.
Viele Transport- und Logistikunternehmen leiten KPI nach wie vor vornehmlich aus Kosten, Geschwindigkeit und Servicequalität ab, um ihren geschäftlichen Erfolg messbar zu machen. Traditionelle Logistik-KPIs wie Kosten pro Sendung und Lieferzeit dienten Jahrzehnte lang als Kompass für operative Exzellenz und bleiben natürlich auch wichtige Messgrößen. Doch sie erfassen heute nur noch einen Teil der Realität – wie ein Schwarzweiß-Foto in einer bunten Welt.
Die Finanzwelt der 1980er Jahre zeigt eine aufschlussreiche Parallele: Damals erweiterten Banken und Versicherungen ihre rein gewinnorientierten Kennzahlen um Risikomanagement-Indikatoren. Dieser Wandel ist in der Logistik heute genauso notwendig. Der Grund liegt auf der Hand: Frachtlogistik macht rund elf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Davon entfallen etwa zwei Drittel allein auf den Lkw-Transport. Während der Warenverkehr weiter zunimmt, muss die Logistikbranche zugleich ihre Emissionen bis 2050 um 80 Prozent senken, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Die EU geht für das Ziel Klimaneutralität sogar von 90 Prozent aus.
Nachhaltige Kennzahlen erweitern traditionelle Metriken nicht einfach – sie übertreffen sie, weil sie tiefere Einsichten in die wahre Effizienz von Logistikoperationen liefern. So weisen etwa CO2-Emissionen pro Tonnenkilometer den tatsächlichen Ressourcenverbrauch aus und sind damit als eine der Hauptkennzahlen zur Bewertung der Klimaeffizienz im Logistiksektor aussagekräftiger als reine Kosten-KPI. Die Auslastungsrate macht ungenutzte Kapazitäten sichtbar. Der Energieverbrauch pro Quadratmeter Lagerfläche deckt ineffiziente Standorte auf.
Zudem dienen nachhaltige Logistik-KPIs als Frühwarnindikator: Emissionsintensive Routen werden durch die EU-Klimaregulierung, auch wenn diese zuletzt aufgeweicht wurden, mittel- bis langfristig unweigerlich teurer. Unternehmen, die heute schon CO2-optimiert planen, fahren morgen kostengünstiger. Laut einer Studie von McKinsey lassen sich Flottengrößen um rund 10 bis 30 Prozent reduzieren, sofern entsprechende Dekarbonisierungshebel genutzt werden.
Nachhaltigkeitsbeauftragte können mit Hilfe der entsprechenden Datenbasis mögliche Kostentreiber und versteckte Optimierungspotenziale in multimodalen Transportsystemen erkennen, die sie nur auf Basis traditioneller Kennzahlen möglicherweise übersehen würden.
Verlader können mit CO2-Footprint-Analysen ineffiziente Transportpartner identifizieren, die auch wirtschaftlich suboptimal arbeiten: Ein vermeintlich günstiger Spediteur verursacht beispielsweise überdurchschnittlich viele Leerfahrten. Oder ein Carrier mit veralteter Fahrzeugflotte stößt durch höheren Spritverbrauch mehr Emissionen aus, verbunden mit höheren Gesamtkosten.
Bei der Lagerhaltung zahlt sich der Fokus auf Nachhaltigkeit ebenfalls aus: Energieeffiziente Hubs senken neben dem CO2-Fußabdruck die Betriebskosten durch reduzierten Energieverbrauch.
Nachhaltige KPIs ergänzen traditionelle Kennzahlen also nicht nur – sie verbessern sie. Was langfristig nachhaltig ist, erweist sich meist auch als wirtschaftlich überlegen. Die Frage lautet also längst nicht mehr “Können wir uns Nachhaltigkeit leisten?”, sondern “Können wir uns leisten, ohne nachhaltige KPIs zu messen?”
Die praktische Umsetzung erfordert ein Höchstmaß an Datenqualität. Wenn Transport- und Logistikunternehmen Emissionsdaten granular auf Sendungsebene erfassen und Primärdaten wie die tatsächlichen Kraftstoffverbräuche in ihre Kalkulation einbeziehen, werden auch traditionelle Kennzahlen aussagekräftiger. Unternehmen erhalten dadurch ein vollständigeres Bild ihrer Logistikperformance.
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