Die Einführung einer neuen Lagerverwaltungs-Software (WMS) ist für die meisten Unternehmen eine strategische Entscheidung. Nach den Untersuchungen der Plattform “Warehouse Logistics” des Fraunhofer IML geben mehr als 80 Prozent der dort gelisteten WMS-Anbieter als durchschnittliche Verwendungsdauer ihres Systems zehn Jahre oder länger an. Umso wichtiger ist es also, die WMS-Einführung erfolgreich zu gestalten. Im Software-Auswahlprozess entscheiden sich viele Unternehmen für eine Standard-Software wie SAP EWM, nicht zuletzt aufgrund des großen Funktionsumfangs bei gleichzeitig vielseitigen Anpassungsmöglichkeiten und der nahtlosen Integrationen in SAP ERP und SAP S/4HANA.
In diesem Beitrag betrachten wir die 3 wesentlichen Erfolgsfaktoren bei der Einführung einer Standard-Software für die Lagerverwaltung am Beispiel SAP EWM.
1. Business Case und strategische Zielsetzung
Noch bevor ein Projekt-Kickoff stattfinden kann, muss das Projekt aufgesetzt werden. Um die Organisation ausreichend abzuholen und einbinden zu können, sollte jedoch zunächst die Frage beantwortet werden, was genau mit dem neuen Lagerverwaltungssystem erreicht werden soll. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Unternehmen mit unkonkreten Zielen wie „effizientere Prozesse“ oder „höhere Bestandsgenauigkeit“ in WMS-Einführungsprojekte starten.
Das kann ausreichend sein, ist es in der Regel jedoch nicht. Vielmehr sollten die vergleichsweise unkonkreten, vorstehend genannten Ziele, messbar gemacht werden. Es gilt also konkret zu beantworten, welche Verbesserungen erreicht werden sollten, damit das Projekt als Erfolg zu werten ist. Häufig ist das Ziel auch IT-strategischer Natur; auch das ist grundsätzlich akzeptabel, dennoch sollten 3-5 Leuchtturm-Ziele definiert werden, die erreichbar, aber ambitioniert sind (bspw. „Senkung der Kommi-Durchlaufzeit um 15 %“) – das erleichtert oftmals auch die Budgetierung des Projekts. Parallel dazu sollte eine ehrliche ROI- und Budget-Rechnung durchgeführt werden. Standard-WMS-Einführungen sind in aller Regel Investitionen im sechsstelligen Bereich; die Amortisationszeit sollte, ausgehend von den zuvor definierten Leuchtturm-Zielen, einem aktuellen Mengengerüst und realistischen Annahmen, auf diese Weise in einer akzeptablen Zeitspanne liegen
2. Stakeholder und Organisation frühzeitig einbinden
So wie das ERP-System, bspw. SAP S/4HANA, als Nervensystem des Unternehmens verstanden werden kann, stellt das WMS im Unternehmen mehr oder weniger Hände und Füße dar – es ist also das zentrale Ausführungssystem für die physischen Warenbewegungen. Die WMS-Einführung betrifft daher nie nur die IT-Abteilung oder die Lagerleiterin. Alle potenziell betroffenen Abteilungen, d.h. auch Disponenten, Geschäftsführung und mögliche Key-Userinnen aus der Logistik müssen von Beginn an eingebunden werden. Ihre alltägliche Praxiserfahrung ist entscheidend für ein funktionierendes Design der späteren Prozesse – und insbesondere dafür, dass dieses auch die tatsächlichen Anforderungen des Unternehmens an die Lagerverwaltung abdeckt. Besonders wichtig ist es dabei, die Schlüsselressourcen nicht nur über das anstehende Projekt zu informieren, sondern sie aktiv am Gestaltungsprozess zu beteiligen. Ein System, das in der Theorie elegant funktioniert, aber den Arbeitsalltag seiner Anwenderinnen und Anwender ignoriert, wird nicht akzeptiert; die Folgen können von Unmut bis zum “Am-System-Vorbeiarbeiten” reichen. Das frühzeitige Aufsetzen und Leben einer Change-Management-Organisation verhindert solche Effekte und stellt sicher, dass die definierten Prozesse später auch gelebt werden.
3. Standard prüfen, physischen Prozess mitdenken
SAP EWM bietet im Standard wesentlich mehr Möglichkeiten als noch das klassische SAP WM (heute Stock Room Management). Wird eine Standardsoftware wie SAP EWM eingeführt, sollten diese Möglichkeiten auch ausgeschöpft werden, bevor eine unternehmensspezifische Lösung entwickelt wird. Können Anforderungen dennoch nicht im Standard abgedeckt werden, sollten Erweiterungen möglichst standardnah umgesetzt werden – im SAP-Umfeld sollte versucht werden, für die Erweiterungen die Möglichkeiten der Clean Core Extensibility zu nutzen.
Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass WMS-Systeme physische Prozesse abbilden. Besonders wichtig ist es daher, ergonomische und räumliche Gegebenheiten des Lagers bzw. Arbeitsplatzes sinnvoll im System abzubilden, damit Physik und System später nahtlos zusammenpassen – ebenso betreffen diese Überlegungen Aspekte wie Laufwege, Platzzugänglichkeiten wie Griffhöhen und ggf. verwendete Lagerhilfsmittel.
Letztlich gilt auch hier: Der eleganteste systemseitige Prozess nützt nichts, wenn er nicht zu den tatsächlichen Rahmenbedingungen passt. Eine WMS-Implementierung „am grünen Tisch“ ist daher nicht sinnvoll – frühzeitig sollten die implementierten Prozesse einem Reality Check unterzogen werden, also einem Integrationstest des Systems unter realen Bedingungen mit echter Ware – einer Art Alltags-Stresstest.
Fazit und abschließende Bemerkungen
Natürlich gibt es viele weitere Aspekte, die über den Erfolg einer WMS-Einführung entscheiden können: so etwa die Wahl zwischen Wasserfall- und agilen Projektmethoden, eine durchdachte Pilotplanung, eine umfassende Teststrategie oder die richtige Deployment-Strategie. Auch Themen wie Datenqualität, Schnittstellenmanagement und Go-Live-Support sind projektentscheidend und sollten frühzeitig und umfassend angegangen werden.
Die hier dargestellten drei Erfolgsfaktoren bilden jedoch das Fundament jeder erfolgreichen WMS-Einführung. Wer diese Grundlagen beherrscht, hat bereits die häufigsten Stolpersteine vermieden und den Grundstein für ein erfolgreiches Projekt gelegt.
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