Dissertation zum Thema “Optimizing Transport Logistics Processes with Multiagent Planning and Control”
Artikel von Dr.-Ing. Max Gath über seine Arbeit, ausgezeichnet mit dem Wissenschaftspreis Logistik 2016 der BVL
Ziel der Industrie 4.0 ist die effiziente Produktion von Waren mit einer Losgröße von bis zu eins. Die hierfür erforderliche Individualisierung der Produktionsprozesse haben signifikante Auswirkungen auf die Logistik, denn die Logistik ist das Bindeglied, das die entstehenden vernetzten Industrie 4.0-Produktionsstätten miteinander verbindet und synchronisiert. Die Anforderungen an Flexibilität, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit steigen. Transportaufträge werden immer kurzfristiger in Auftrag geben und Waren müssen in immer kürzer Zeit mit garantierten Lieferzeiten zugestellt werden. Geleichzeitig steigt durch den Güterstruktureffekt die Anzahl an kleinen Sendungen mit individuellen Eigenschaften und somit auch die Komplexität der Planungs- und Steuerungsprozesse.
In der Mathematik und Informatik zählt die Suche nach der bestmöglichen Verteilung von Aufträgen auf Fahrzeuge zu den schwierigsten Problemen. Zur Veranschaulichung: Die Anzahl der möglichen Lösungen bei größeren in der Realität vorkommenden Problemen ist so hoch wie die geschätzte Anzahl von Atomen im Universum. Die Bewältigung dieser Komplexität wird durch eine hohe Dynamik und unvorhergesehene Ereignisse zusätzlich erschwert. Selbst wenn eine nahezu optimale Lösung gefunden wurde, kann sich diese aufgrund dynamischer Ereignisse wie ein Stau, Verzögerungen bei der Be- oder Entladung, variierende Liefermengen oder neue Aufträge schnell als suboptimal herausstellen.
Ziel des im Rahmen der Dissertation entwickelten Ansatzes war es, die Transportprozesse zu optimieren, um den erhöhten Anforderungen an Kosteneffizienz, Qualität, Flexibilität und Zuverlässigkeit gerecht zu werden und fortlaufend sämtliche verfügbaren Informationen in der Planung- und Steuerung zu berücksichtigen.
Hierfür entwickelte Dr.-Ing. Max Gath eine multiagenten-basierte Steuerung, bei der Logistikobjekte durch digitale Stellvertreter (Agenten) repräsentiert werden. Die Agenten können sich autonom koordinieren und miteinander verhandeln, um benötigte Logistikressourcen optimal zu nutzen. Dadurch wird die Steuerung der Teilprozesse von einem zentralen Ansatz auf miteinander kommunizierende, dezentrale Entscheidungsträger verlagert. Dies ermöglicht eine parallele Berechnung der Dispositionsentscheidungen für jedes einzelne Logistik-Objekt, was dazu führt, dass die Software sehr schnell bestmögliche Lösungen findet – auch bei hoch komplexen Prozessen. Das Multiagentensystem optimiert Touren auch während des laufenden Betriebs und kann auf sich ändernde reagieren oder neue Information in der Tourenplanung integrieren. Es steuert die Prozesse automatisch und passt Pläne unmittelbar an, wenn es beispielsweise zu Verzögerungen oder eine wechselnde Auftragslage kommt. Dabei werden sämtliche Synergieeffekte auch zwischen Touren berücksichtigt.
Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Entwicklung von hocheffizienten Algorithmen, die bei der Entscheidungsfindung der Agenten eingesetzt werden und alle relevanten Parameter berücksichtigen können, die für das jeweilige Objekt zum gegebenen Zeitpunkt relevant sind. Hierzu gehören u.a. Kapazitäten, Volumen, Zeitfenstern, Orts-, Auftrags- und Paketabhängigen Umschlagszeiten und Prioritäten, aber auch die Berechnung von fahrzeugabhängigen Distanzmatrizen in Echtzeit. Denn während in statischen Optimierungssystemen Distanzen und Fahrtzeiten vorberechnet werden können, ist dies in dynamischen Umgebungen aufgrund der unvollständigen Informationen erst zur Laufzeit möglich.
In realen Szenarien kann die Anzahl der Dispositionsentscheidungen pro Tag schnell über 100.000 betragen. Daher ist es wichtig, dass diese Berechnungen in Millisekunden stattfinden.
Evaluiert wurde der Ansatz im Rahmen von zwei Forschungstransferprojekten mit der Bremer Niederlassung von Hellmann sowie der tiramizoo GmbH. Anhand der Simulation von mehreren Szenarien konnte die Leistungsfähigkeit des Ansatzes sowohl zur Optimierung des Nahverkehrs im Sammelgutverkehr als auch zur Tourenoptimierung im Same-Day-Delivery Bereich aufgezeigt werden. Die Anzahl der benötigten Fahrzeuge, die Stopps sowie die Fahrtzeiten wurden durch eine intelligente Auftragsbündelung, durch dynamische situationsabhängige Plananpassungen und durch die Berücksichtigung aller relevanten Nebenbedingungen signifikant reduziert und so die Transportkosten erheblich gesenkt werden.
Die Vorteile des Systems sind neben der hohen Flexibilität, Robustheit, Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit, dass es durch eine einfache Umkonfiguration einzelner Agenten in unterschiedlichen Domänen eingesetzt werden kann. So können neben dem Sammelgutverkehr und Kurier-, Express- und Paketdienste, auch der Lebensmitteltransport zum Endkunden, Wege von Kommissionierern in der Intralogistik oder Servicetouren bei der Wartung von Windkraftanalagen optimiert werden.
Die Servicequalität steigt durch kürzere Sendungslaufzeiten und erhöhte Zuverlässigkeit. Die Software reduziert die Kosten, spart Zeit, steigert die Qualität und hilft dem Disponenten dabei, die Tourenplanung zu optimieren. Durch die automatisierte Behandlung von Standardfällen bleibt dem Disponenten so mehr Zeit für komplizierte Sonder- und Ausnahmefälle. Es ist letztlich das Zusammenspiel von Mensch und Computer, das die Prozesse optimiert.
Heute erweitere ich den Ansatz mit weiteren Komponenten aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz und biete mit der Firma XTL Kommunikationssysteme GmbH Beratung und kundenspezifische Softwarelösungen für die Logistikoptimierung an.