Neue Trends und Strategien-Studie der BVL: Aufbruch im Umbruch
Top-Trends sind Cybersicherheit, Digitalisierung und Kostendruck – Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel nicht mehr im Fokus
Die aktuellen Top-Trends in Logistik und Supply Chain-Management sind Cybersicherheit und Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Die Spitzenreiter haben sich damit im Vergleich zur letzten Studie 2023 nicht verändert. Das Thema Kostendruck wurde erheblich wichtiger eingeschätzt und landet auf Platz 3, einen deutlichen Sprung nach oben machten auch die Themen Automatisierung (Platz 4, +5 Plätze im Vergleich zu 2023), Business Analytics (Platz 5, +6) sowie Künstliche Intelligenz (Platz 12, +7). Dramatisch an Relevanz verloren haben im Vergleich die Themen Personalmangel (Platz 15, -12), Nachhaltigkeit (Platz 16, -9) und New Work (Platz 20, -5). Auf der BVL Supply Chain CX in Berlin wurden heute erste Ergebnisse der neuen Studie vorgestellt. Der BVL-Vorstandsvorsitzende Kai Althoff: „Deutlich aufgestiegen in der Relevanz sind die Themen Automatisierung und künstliche Intelligenz, was zeigt, dass die digitale Transformation in vollem Gange ist und aktuell und in den nächsten Jahren das übergreifende Thema sein wird. Gleichzeitig haben Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit stark an Bedeutung verloren. Das spiegelt zum einen die aktuelle wirtschaftliche Lage und zum anderen den veränderten gesellschaftlichen und politischen Fokus wider, wobei damit zu rechnen ist, dass beide Themen bei veränderten Rahmenparametern schnell wieder an Bedeutung gewinnen werden.“ Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Wolfgang Kersten, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der BVL: „Die Triple Transformation der Unternehmen in Richtung Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz schreitet weiter voran. Auffällig ist der starke Anstieg von Störungen in der Supply Chain in der Zeit multipler Krisen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sehen ein größeres Ausmaß an Störungen im Vergleich zu 2020 und erwarten einen weiteren Anstieg bis 2030. Entsprechend haben viele Unternehmen besonders intensiv an der Resilienz ihrer Supply Chain gearbeitet.“ Prof. Martin Schwemmer von der Hochschule Heilbronn: “In den aktuellen konjunkturschwachen Zeiten sorgt eine mangelnde Auslastung aufgrund fehlender Mengen bei gleichen (oder teils gestiegenen) Kosten sehr direkt für erhöhten Margendruck. Dieses Problem zeigt sich aktuell in Produktion, Logistik und Handel gleichermaßen. Die Auseinandersetzung mit anderen strategischen Themen rutscht dann schnell von der Prioritätenliste der Logistik- und SCM-Entscheider.”
Die Studie „Trends und Strategien“ der BVL liefert Entscheidern seit 1988 wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf Herausforderungen und Handlungsoptionen im Bereich Logistik und Supply Chain-Management. Trends haben einen langfristigen und umwälzenden Einfluss auf das Management von Wertschöpfungsketten und bilden somit nicht nur für Logistik- und SCM-Verantwortliche, sondern auch für Politik, Verbände und Forschungseinrichtungen eine wesentliche Grundlage für strategische Entscheidungen. Als Gradmesser dienen zum einen die Relevanz der Trends für das Geschäftsumfeld sowie die bisher erlangte Anpassungsfähigkeit an ebendiese Trends.
Nachhaltigkeit: weniger wichtig, aber mehr erreicht
Der Abstieg des Themas Nachhaltigkeit im Ranking deckt sich mit der Wahrnehmung in der Gesellschaft – die Klimakrise ist aufgrund der zahlreichen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen aktuell in den Hintergrund gerückt. Immer noch 62 % der Unternehmen nehmen das Thema Nachhaltigkeit als Wettbewerbschance wahr – das ist allerdings ein Minus von 6,2 % im Vergleich zu 2023. Positiv zu vermerken ist aber, dass 80 % der Unternehmen sich inzwischen konkrete Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen gesetzt haben – ein Plus von 17,7 % zu den Zahlen von 2023. Auch der Anteil der Unternehmen mit einem hohen bis sehr hohen Umsetzungsstand der Transformation stieg von 20,3 % im Jahr 2023 auf 28,2 % im Jahr 2025 an. Kai Althoff: „Die Nachhaltigkeitsthemen haben aktuell eine geringere Priorität in der Gesellschaft und in der Wirtschaft, auch dies ist typisch für die aktuelle wirtschaftliche Lage, denn Entwicklungen in diesem Bereich erfordern Investitionen. Darüber hinaus zeigen die Daten, dass viele Unternehmen in ihrer Transformation immer besser werden. Die meisten haben sich inzwischen ambitionierte Emissionsziele gesetzt, die sie nun auch erreichen müssen.“
Digitalisierung: Mangel an Daten(-qualität) ist eine der größten Herausforderungen
Am weitesten fortgeschritten sind die Unternehmen bei den Themen Mobiler Datenzugriff für Mitarbeiter, Descriptive Analytics, Predictive Analytics, Sensorik zur Überwachung und Robotic Process Automation (RPA). Eine verhältnismäßig geringe Relevanz wird den Technologien 3D-Druck und Blockchain beigemessen. Künstliche Intelligenz hingegen hat sich als die Trend-Technologie etabliert. 68 % der Unternehmen werden in den nächsten fünf Jahren an der Implementierung und/oder Skalierung von KI arbeiten. 54 % sehen in der eingeschränkten Verfügbarkeit und Qualität von Daten eine der größten Herausforderung bei der digitalen Transformation. Dennoch schreitet die Transformation voran, so ist der mittlere Umsetzungsstand seit 2023 um 4,2% gestiegen. Einen hohen bis sehr hohen Umsetzungsstand bei der Digitalisierung sehen 30,7 % der Unternehmen bei sich – 2023 waren es 29,9 %. Kai Althoff: „Der Umsetzungsgrad der Transformation bei der Digitalisierung ist kaum gestiegen. Das hängt mit der rasanten Entwicklung der Möglichkeiten und Anforderungen in diesen Bereich zusammen. Hierdurch entsteht die Wahrnehmung, dass die relative Umsetzung in dem Thema nicht stark gestiegen ist - trotz sehr großer Investitionen.“
Politik: Logistiker fühlen sich nicht wahrgenommen
Nur 6 % der befragten Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass der Bereich Logistik und Supply Chain-Management durch die Politik angemessen vertreten wird. 60 % stimmen nicht zu, 34 % sind unentschieden. Bei der Priorisierung der Themen auf der politischen Agenda sprechen sich jeweils knapp 30 % für Verkehrsinfrastruktur und Bürokratieabbau als wichtigste Aufgaben aus, gefolgt von Digitalisierung (20 %), der Energiewende (gut 10 %), dem globalen Handel (gut 6 %) und der Fachkräftegewinnung und -zuwanderung (knapp 6 %).
Teilgenommen an der Befragung haben bis Ende Juli 2025 über 200 Unternehmen aus den Bereichen Produktion (42,6 %), Logistik (40,6 %) und Handel (16,8 %). Weitere Inhalte der Studie finden sich in der kurzen Übersicht, die auf der Seite www.bvl-trends.de oder im Pressebereich der BVL-Webseite (https://www.bvl.de/presse) heruntergeladen werden kann. Der vollständige Studienbericht erscheint Ende 2025. Bewährter Partner für die Erhebung ist das Institut für Logistik und Unternehmensführung der Technischen Universität Hamburg mit Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kersten, Dr. Birgit von See und Sandra Heymann sowie die Hochschule Heilbronn mit Prof. Dr. Martin Schwemmer.