Es ist kein Geheimnis: Kommunen, die im Verkehr ersticken, suchen nach cleveren Ideen, wie die Menschen in den Städten künftig mit Waren ver- und entsorgt werden sollen. Der Flaschenhals in die urbanen Zentren ist zunächst die Infrastruktur, die über viele Jahrzehnte nicht mit dem Aufkommen der Personen- und Warenverkehre gewachsen ist. Um den Verkehr zu reduzieren und Raum für sicheren Fahrradverkehr zu schaffen, haben die Kommunen zahlreiche Maßnahmen getroffen. Das sind generelle Fahrverbote, Fahrrad-, Bus- und Umweltspuren sowie Pförtnerampeln. Letzte Meile-Konzepte, die Lastenfahrräder und E-Scooter nutzen, entwickeln sich leider erst langsam. Um die Stadt weiterhin beliefern zu können und alle notwendigen Verkehre gut zu organisieren, gleichzeitig aber das Aufkommen an dieselgetriebenen Fahrzeugen zu reduzieren, fehlt ein Gesamtkonzept, wie die unterschiedlichen Bedürfnisse aufeinander abgestimmt werden können. Die Diskussion in und mit den Kommunen gilt es unbedingt zu führen.
Die Herausforderung ist, wenn wir hier den Fokus auf die Warenbewegungen legen, den Fernverkehr intelligent mit der letzten Meile zu verbinden, ohne mit Diesel-Lkw in die Stadt fahren zu müssen. Dazu bedarf es intelligenter Konzepte für die vorletzte Meile als Verbindungselement von den Urban Hubs beziehungsweise Lagerstandorten am Stadtrand zu kleineren City Hubs beziehungweise Verteilstationen in den Städten. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wie groß sind die Volumina und die unterschiedlichen Segmente, die wir für die Städte täglich organisieren müssen?
Hohe Warenvolumina
Der erste Gedanke beim Thema „Lieferungen in die Innenstadt“ ist fast immer E-Commerce und das immer größer werdende Paketvolumen. Aber was wird daneben täglich in der Summe in die Städte hinein – und wieder heraus – transportiert? Bundesweit werden jährlich etwa 500 Millionen Paletten oder 40 Milliarden Verpackungseinheiten/ Einzelstücke (Colli) transportiert. Wenn wir daneben von etwas mehr als vier Milliarden E-Commerce Paketen ausgehen, macht das nur etwas mehr als zehn Prozent des Gesamtvolumens aus. Das gilt es zu berücksichtigen, um anschließend über notwendige Lösungen diskutieren zu können.
Der große Anteil von fast 90 Prozent des kommerziellen B2B- und privaten B2C-Gesamtvolumens sind Lebensmittel, Getränke, Non-Food Artikel aller Art, Waren für Gastronomie, Drogerien, Textilketten, Handwerker, Baumärkte etc. Auch Güter, die in den urbanen Zentren produzierende Unternehmen benötigen, gehören dazu.
Für eine Stadt wie Hamburg bedeutet das zum Beispiel, dass im Jahr rund 11 Millionen Paletten oder 872 Millionen Verpackungseinheiten in die City bewegt werden müssen. Allein ein mittelgroßer Supermarkt erhält rund 20 Paletten täglich.
Letzte Meile
Hier gibt es inzwischen auch in der Praxis, und von den Städten initiiert, einige gute, umweltfreundliche Konzepte. Basis sind unter anderem Lastenfahrräder und E-Scooter. Problematisch sind aber aktuell ungeeignete oder schlichtweg fehlende Flächen für den Umschlag der Waren und den Ausgangspunkt der Touren in die Städte. Und wenn es diese Flächen gibt, lautet eine wichtige Frage: Wie wird die Ware über die nicht ausreichende Infrastruktur und ohne Dieselfahrzeuge von den Verteilzentren am Stadtrand in die Umschlagsflächen transportiert, damit sie auf der letzten Meile, mit einem Radius von zwei bis drei Kilometern, emissionsarm ausgefahren werden kann? Die zweite Frage lautet in diesem Zusammenhang: Wie werden in der Stadt produzierte Waren sowie Wertstoffe wie Kartonage, Kunststoff und Glas aus der Innenstadt herausgebracht?
Gefragt sind hier innovative Ansätze, die zum einen den Straßenverkehr deutlich reduzieren, mit entsprechender Verringerung der Schadstoff- und Lärmemissionen, und zum anderen die Versorgungssicherheit gewährleisten. Es wird sicherlich nicht die eine Lösung für alles geben, sondern unterschiedliche Konzepte. Beispielsweise werden Drohnen in bestimmten Nischen genutzt werden können. Smart City Loop – in Verbindung mit intelligenten Gebäudekonzepten wie sie unser Partner, der Projektentwickler Four Parx GmbH, bereits entwickelt hat, und die Peripherie und Innenstadt an den Ausgangspunkten des Röhrensystemens miteinander verbinden – wird aus unserer Sicht für die vorletzte Meile ganz sicher mit einem guten Volumen Teil der Lösung sein.
Vorletzte Meile
Um eine effiziente Feinverteilung in der Innenstadt zu ermöglichen, muss die Ware an zentrale Verteilpunkte (City Hubs) geliefert werden. Ein wichtiges Modul für deren Belieferung wird der unterirdische Warentransport auf der „vorletzten Meile“ sein. Er ist das Bindeglied zwischen dem Urban Hub am Stadtrand und dem City Hub für den Umschlag zur letzten Meile. Ein wichtiger Faktor ist, das System intelligent und automatisiert mit den Ferntransporten vorher und der letzten Meile im Anschluss zu verbinden, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Der Smart City Loop ist ein vollständiges Modul, das bewährte Technologien in einem neuen Konzept verbindet und damit aus Sicht von Citylogistikern einen wertvollen Beitrag für die Belieferung von Ballungszentren leisten wird. Untersuchungen von Experten und wissenschaftliche Expertise durch das Fraunhofer Institut belegen, dass das Konzept wirtschaftlich funktioniert und in angemessener Zeit realisiert werden kann. Drei wichtige Ziele werden damit erreicht:
• Die Emissionen werden reduziert,
• die heutige Infrastruktur wird entlastet
• und avisierte Liefertermine können sehr viel besser als heute eingehalten werden.
Zudem sind auch die Kosten für den Transport wettbewerbsfähig.
Das Konzept
Je nach Topografie und Streckenlänge wird in Rohr- oder Schildvortrieb eine Röhre gebaut. Es gibt sie für Fernwärme, Abwasser oder Starkstrom beispielsweise in Köln unter dem Rhein oder in Hamburg unter der Elbe. In dieser Röhre, die wie eine Straße fungiert, erfolgt der Transport der Waren auf standardisierten Ladungsträgern, zumeist Paletten, mithilfe Fahrerloser Transportsystemen (FTS). Die Paletten sind vor den Transporten bereits so gesichert, dass sie unproblematisch auf einem Routenzug transportiert werden können. Leistungsstarke Aufzüge verbinden die Röhre mit den Urban Hubs und den City Hubs. Transportiert werden im Wesentlichen palettierte Waren aus den Stückgutnetzen sowie die Pakete der Paketdienstleister, die im City Hub in der Stadt wieder an den jeweiligen Dienstleister für die Anlieferung übergeben werden.
Verbindung mit den angrenzenden Teilnehmern der Logistikkette
Statt Waren von den Verteilzentren (Urban Hubs) am Stadtrand bis in die Innenstädte mit großen Dieselfahrzeugen zu befördern, wird das zu einem guten Teil unterirdisch erfolgen. Die Güter werden dazu in den Urban Hubs gesammelt, sequenziert und, über eine digitale Plattform gesteuert, durch die Röhre zu den City-Hubs transportiert. Von dort wird die Ware – möglichst ohne große Pufferung – auf der letzten Meile an den Empfänger zugestellt.
Das bedeutet hohe Anforderungen an die Planung und Steuerung, da in City Hubs nur ganz begrenzte Warenmengen zum Weitertransport gelagert werden können. Daher erfolgt der Zu- und Abfluss in kontrollierten Zeitfenstern allein schon deshalb, damit die Touren und Ablieferzeitpunkte in der Stadt verlässlich eingehalten werden können. Außerdem spart es hochwertige Lagerfläche im City Hub.
Wie ein City Hub aussieht
Der Projektentwickler Four Parx hat für den Umschlag und die Versorgung der Städte auf der letzten Meile eine spezielle innerstädtische Logistikimmobilie (City) entwickelt, die sich platzsparend in ein städtisches Bild einpasst. Sie verfügt über 12.000 Quadratmeter Nutzfläche, die sich über sechs Stockwerke aufteilen. Auf der letzten Meile des mehrgeschossigen „City“-Gebäudes zum Kunden sind Transporte ohne Verbrennungsmotoren vorgesehen – beispielsweise Lastenfahrräder, E-Scooter und -Transporter. Und auch für den Ausgangspunkt, das „Urban Hub“, hat der innovative Developer bereits eine konkrete Lösung entwickelt. Beide Konzepte bieten neue Nutzungsmöglichkeiten, fügen sich durch anspruchsvolle Fassendengestaltung in das Stadtbild ein und nutzen die begrenzt verfügbaren Flächen in den Ballungszentren optimal aus.
Auch andere Modelle sind denkbar, wie beispielsweise die Nutzung der aufgrund der Verkehrswende künftig nicht mehr ausgelasteten Parkhäuser oder leerstehender Kaufhäuser. Zudem sollte bei der Entwicklung neuer Quartiere das Thema Versorgung der Bewohner mit Flächen für City- und/ oder Mikrohubs berücksichtigt werden. Aber auch diese Hubs sollten sich – analog dem Four Parx Konzept – mit der Außenfassade in das Stadtbild anpassen.
City Hubs erfüllen mehrere Funktionen: der Warenumschlag vom Smart City Loop auf die letzte Meile, die Ladung von Elektrofahrzeugen sowie Abholstationen für Pakete und andere Waren für den Endkunden. Denkbar sind auch die Einrichtung von Carsharing-Angeboten oder der Bau von Stationen für Leihfahrräder, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Betrieben wird das City Hub idealerweise von einem neutralen Dienstleister, der auch das Lager vor der Röhre bewirtschaftet. So kann die Nutzung der beiden Lagerstätten effektiv aufeinander abgestimmt werden.
Entwicklung der Vorhaben
Die Smart City Loop GmbH erstellt im Vorfeld – etwa im Auftrag einer Stadt – eine Machbarkeitsstudie. Darin werden die topografischen und städtebaulichen Gegebenheiten geprüft. Mögliche Trassenführungen – möglichst unter öffentlichem Grund – sowie potenzielle Flächen für das oder die City Hubs werden gemeinsam mit der Stadt identifiziert.
Für erste Einschätzungen der Bodenbeschaffenheiten werden beispielsweise vorhandene Unterlagen der geologischen Landesämter genutzt. Auf dieser Basis werden das Konzept für das Bauvorhaben und der entsprechende Zeitplan entwickelt. Es werden Warenströme analysiert, Abläufe und damit Flächenbedarfe für das oder die City Hubs ermittelt sowie erste Kalkulationen erstellt, um die Wirtschaftlichkeit zu bestätigen.
Wird die Studie positiv abgeschlossen, schließen sich die Detailplanung und das Genehmigungsverfahren an. Eine Investitionsgesellschaft wird gegründet, in erster Linie für den Bau. Das sind private und institutionelle Anleger, Städte oder Stadtwerke, Transportunternehmen oder auch der Handel. Smart City Loop kümmert sich neben der Projektierung in erster Linie um das Logistiksystem, die IT- Plattform, den Kontakt zu den Kunden und die Betreibergesellschaft der beiden Läger. Abgerechnet wird die Nutzung des Loops nach der Menge der transportierten Ware, analog zu den Transportkosten auf der vorgelagerten Lieferkette.
Machbarkeitsstudie für Hamburg
In Hamburg wurde bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und abgeschlossen. Im Zentrum der Studie standen drei Hauptthemen: die Trasse, das Transportsystem, die Suche nach geeigneten Flächen für die Errichtung der Distributionszentren sowie die Wirtschaftlichkeit und Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Verkehr. Untersuchungsgegenstände waren unter anderem geeignete Fördertechniken, geologische sowie topografische Anforderungen, Bautechniken und rechtliche Bewertungen, die Gestaltung und Ausstattung der Logistikimmobilien sowie die Nutzungskosten, der Einfluss auf Verkehr und Umwelt etc.
Die Studie, die vom Entwickler Four Parx GmbH beauftragt und mitfinanziert wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die unterirdische Transportlösung technisch durchführbar sowie wirtschaftlich betreibbar ist und darüber hinaus einen beträchtlichen Beitrag zur Senkung von Kohlendioxid-Emissionen sowie der Verkehrsbelastung der Stadt leistet. Demnach kann über das Röhrensystem – bei einem 16-Stunden-Betrieb an 310 Tagen pro Jahr – in den beiden Hubs eine anfängliche Lieferkapazität von rund 2,5 Millionen Paletten pro Jahr verarbeitet werden. Dies entspricht mehr als 500.000 Transportfahrten und bedeutet eine Kohlendioxid-Einsparung von mehr als 10.000 Tonnen pro Jahr. Als ideale Streckenführung wurde eine Verbindung von Hamburg-Steinenwerder (Urban Hub) nach Hamburg Mitte (City Hub) identifiziert.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die in Zusammenarbeit mit namhaften Spediteuren sowie dem Fraunhofer Institut für Materiafluss und Logistik IML durchgeführt wurden, zeigen, dass die Kosten für diesen neuen Transportweg mit den aktuellen Kosten vergleichbar sind. Weitere Vorteile sind die Erfüllung optionaler Umweltauflagen, kürzere Transportzeiten und zuverlässige Zustellzeiten. Die Stadt Hamburg hat der Smart City Loop und Four Parx in einem LOI (Letter of Intend) die volle Unterstützung für die Umsetzung in der Hansestadt zugesichert. Die Projektpartner haben nun diverse Planungsvorbereitungen für die Umsetzung aufgenommen, die Identifikation potenzieller Investoren für den Bau der Röhre sowie die Flächensuche für die Errichtung der Urban- und City Hubs im Hafen und in den Bezirken Mitte respektive Altona laufen.
Übrigens: Konzepte mit unterirdischen Warentransporten werden in anderen Ländern für zukunftsfähig befunden. In der Schweiz hat der Bundesrat gerade ein Bundesgesetz geschaffen, damit Anlagen für den unterirdischen Gütertransport gebaut und betrieben werden können.
Autor: Christian Kühnhold, Geschäftsführender Gesellschafter, Smart City Loop GmbH, Köln