Gibt es einen Brexit? Wenn ja, wann und in welcher Form? Und wie können sich Unternehmen in Sachen Ersatzteillogistik darauf vorbereiten? Diesen Fragen stellt sich Carsten Bente, Senior Consultant beim Softwareanbieter AEB, auf dem Forum Ersatzteillogistik. Im Interview mit der BVL gibt er eine aktuelle Einschätzung zur Lage.
Herr Bente, der Austritt Großbritanniens aus der EU verläuft alles andere als geordnet. Wie wahrscheinlich ist ein Rücktritt vom Brexit?
Ein Exit vom Brexit ist derzeit eher unwahrscheinlich – trotz Massendemonstrationen und des Mandats an die Labour-Parteiführung, sich im Falle eines Scheiterns der Brexit-Verhandlungen für eine zweite Volksabstimmung einzusetzen.
Wann kommt es denn dann zum Brexit?
Das kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Fest steht: Der Europäische Rat hat prinzipiell einer Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 22. Mai 2019 zugestimmt. Dazu muss aber diese Woche das britische Unterhaus das mit der EU verhandelte Abkommen genehmigen. Ist dies nicht der Fall, steht als neues Brexit-Datum der 12. April. Um einen harten Brexit zu vermeiden, müsste das Vereinigte Königreich vor diesem Datum einen alternativen Weg vorgeben, der vom Europäischen Rat geprüft werden soll. Passiert dies nicht, kommt es zu einem ungeregelten Austritt und UK fällt gegenüber der EU auf den Status eines WTO-Mitgliedes zurück.
Die EU versucht Bürger und Unternehmen zu beruhigen. Die Notfallvorbereitungen für einen harten Brexit seien abgeschlossen, hieß es Anfang der Woche. Was passiert aus Ihrer Sicht bei einem No-Deal-Austritt?
Für die britische Wirtschaft und auch für die übrigen EU-Staaten ist der harte Brexit der Worst Case. Ein ungeregelter Austritt hat beispielsweise zur Folge, dass UK den Zugang zu den Freihandelsabkommen mit der EU verliert. Und dass im Warenverkehr zwischen EU und UK Zölle und Zollformalitäten anfallen werden. Welche Konsequenzen dies in der Praxis haben wird, ist schwer abschätzbar. Studien prognostizieren massive Wartezeiten an den Grenzen. Das Imperial College London geht etwa davon aus, dass jede zusätzliche Minute bei der Grenzabfertigung zu zehn Meilen Verkehrsstau führt.
Wie bereiten Unternehmen ihre Supply Chain und Logistik auf den Brexit vor? Was sind Best Practices? Und was ist in Sachen Ersatzteilversorgung zu beachten?
Die häufigste genannte Maßnahme in der Logistik ist der Aufbau von Lagerkapazitäten. Gerade für kritische Ersatzteile kann dies sinnvoll sein. Allerdings sind dezentrale Lagerbestände und -flächen oftmals teuer. Viele Unternehmen suchen auch nach alternativen Transportrouten oder -modi, um beispielsweise eine effiziente Nachschubversorgung sicherzustellen. Und gerade in der Ersatzteillogistik spielen Vorbereitungen in Sachen Außenwirtschaft eine große Rolle. Die zentrale Frage dabei ist, wie sich trotz neuer Zollformalitäten die Auswirkungen minimieren lassen. Und dabei geht es nicht nur darum, die wachsende Menge an Zollanmeldungen effizient zu bewältigen. Auch der Einsatz von Zollerleichterungen und Verfahren wie Carnet ATA für vorübergehende Verwendungen sind wichtig, um beispielsweise Reparaturaufträge effizient abzuwickeln.