15 Trends beeinflussen Strategie und Praxis der Logistik
Der Endkunde bestimmt den Takt der Digitalisierung
Mit ihrer Studie zu den Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management legt die BVL eine umfassende Analyse zur aktuellen Situation und den Zukunftsszenarien im Wirtschaftsbereich Logistik vor. Wesentliche Erkenntnis: Die digitale Transformation erfordert einen konsequenten und aktiv gestalteten Unternehmenswandel.
Kostendruck, Individualisierung und Komplexität bleiben auch im Zeitalter der Digitalisierung die exogenen Top-Trends, die von außen an die Unternehmen herangetragen werden und sie damit zu strategischen Reaktionen zwingen. Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und eine verbesserte Transparenz der Supply Chain sind die wichtigsten endogenen Trends, die aus den Unternehmen heraus vorangebracht werden müssen. Wesentlicher Treiber für alle Player – und diese Entwicklung ist relativ neu – ist jedoch der Endkunde, der sich mit seinen Wünschen nicht nur im Handel, sondern auch in Industrie und Dienstleistung wettbewerbsentscheidend bemerkbar macht. Die Antwort auf viele seiner Anforderungen ist wiederum die Digitalisierung.
Knapp drei Viertel der Studienteilnehmer schätzen die Chancen, die sich durch eine digitale Transformation für ihr Unternehmen ergeben, als sehr hoch oder hoch ein. Mehr als die Hälfte der Unternehmen will mit eigenen Projekten jedoch abwarten, bis erprobte Lösungen vorliegen. Ein Drittel der Befragten weist auch auf hohe oder sehr hohe Risiken durch die Digitalisierung hin. Ein Grund dafür mögen erforderliche Sachinvestitionen sein, Personalmangel oder der große Handlungsbedarf im Bereich der Qualifizierung, um die Mitarbeiter für neue Abläufe, Denkweisen und Geschäftsmodelle fit zu machen. Im Fokus, so die Studie, stehe sowohl die Förderung von IT-Kompetenzen als auch eine Kultur des Ausprobierens und Lernens.
„Der späteste Zeitpunkt, um in die Digitalisierung einzusteigen, ist jetzt“, so Prof. Wolfgang Kersten von der Technischen Universität Hamburg, der das Studienprojekt geleitet hat. Dazu gilt es, innovative Technologiekonzepte, Veränderungen der Wertschöpfungskette und veränderte Kompetenzanforderungen im Blick zu behalten und neue, angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Studie geht ausführlich auf alle vier Handlungsfelder ein und verknüpft sie mit den 15 Trends, die Strategie und Praxis der Logistik beeinflussen.
Für das Unternehmen als Ganzes bedeutet dies: Die digitale Transformation wird fester Bestandteil der Strategie. Voraussetzung dafür ist, dass die Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette gewährleistet ist, eine Voraussetzung, die in vielen Unternehmen zunächst noch geschaffen werden muss. Oftmals sind die gewünschten Daten nicht vorhanden, Schnittstellen sind nicht definiert oder die Datenqualität ist unzureichend. Fast vier Fünftel der Teilnehmer an der Studie halten eine transparente Supply Chain für relevant oder sehr relevant für den Unternehmenserfolg. Heute werden bereits Transport- oder Wareneingangsdaten systematisch und umfassend geteilt. Bei Bestandsdaten, Bedarfsprognosen oder Daten über Materialflussstörungen sieht es anders aus. Hier scheitert die Datenweitergabe also nicht nur an Datenschutzüberlegungen.
Durch innovative Geschäftsmodelle wird schließlich die Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Welt abgesichert. Zentraler Angelpunkt künftiger Innovationen, so die Studie, sollte stets der Endkunde sein, der seinerseits vielfältige digitale Informations- und Transaktionsmöglichkeiten nutzt. „Der Leitgedanke des Jahres 2017 der Bundesvereinigung Logistik lautet ‚Neues denken – Digitales leben‘. Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie ist das ein treffender Imperativ“, so Prof. Raimund Klinkner, der Vorstandsvorsitzende der BVL. „Digitalisierung ist eben nicht die Fortführung des Status quo auf einer höheren Technologiestufe, sondern sie ist ein Game Changer“, so Klinkners Fazit.
Methodik der Studie
Die Datenerhebung war vierstufig aufgebaut. Sie beruht auf einer breit angelegten Literaturrecherche, die den Input für den Aufbau des Fragebogens generierte. Es folgten 38 ausführlichen Experteninterviews mit Gesprächspartnern aus den Bereichen Industrie, Handel und Logistikdienstleistung. Ferner floss die Auswertung von 363 vollständig ausgefüllten umfangreichen Online-Fragebögen ein. Insgesamt nahmen 1.351 Experten an dieser Online-Befragung im Jahr 2016 teil, knapp 1.000 von ihnen lieferten jedoch nicht alle erforderlichen Angaben. Zum Abschluss wurden die bereits vorliegenden Ergebnisse in sechs Fokusgruppen mit Unternehmensvertretern diskutiert, interpretiert und mögliche Handlungsoptionen abgeleitet. Die Teilnehmer an der Online-Befragung kamen zu 44 Prozent aus dem Industriebereich, 42 Prozent waren Logistikdienstleister und der Handel war mit 14 Prozent repräsentiert. Damit spiegelt das Panel den ganzheitlichen Logistikgedanken der BVL wider.
Digitalisierung der Geschäftsprozesse Transparenz der Wertschöpfungskette Vernetzung/Zusammenarbeit Business Analytics Automatisierung Dezentralisierung
Hintergrund zur Studie
Die aktuelle Publikation ist die 13. Ausgabe der Studienreihe „Trends und Strategien“ im Auftrag der BVL, die seit dem Jahr 1991 in unregelmäßigen Abständen erscheint. Während die beiden letzten Ausgaben sich mit den Schwerpunkten „Beherrschung von Komplexität“ (2013) sowie „Globale Netzwerke im Wandel“ (2008) beschäftigen, standen in der 2016er Erhebung die Chancen der digitalen Transformation im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Erstellt wurde die Studie im Jahr 2016 von einem Forscherteam unter Leitung von Prof. Wolfgang Kersten (TU Hamburg) und Prof. Mischa Seiter (International Performance Research Institute IPRI) unter weiterer Mitwirkung von Lufthansa Industry Solutions sowie der Unternehmensberatung Horváth & Partners. Erste Ergebnisse stellten die Wissenschaftler beim 33. Deutschen Logistik-Kongress im Oktober 2016 in Berlin vor. Die Studie steht im Internet als PDF zum Download bereit.