Die Digitalisierung in Deutschland kommt nur schwer in Fahrt. Im europäischen Vergleich landet die Bundesrepublik noch immer nur im Mittelfeld. Geht es um konkrete Projekte, wie beispielsweise die Digitalisierung der Regierung und Verwaltung, sieht es oft noch düsterer aus. Dabei ist das Potenzial, welches in den digitalen Technologien steckt weiterhin groß – vor allem in der Logistik. In praktisch allen Bereichen, in denen die Logistik derzeit vor Herausforderungen steht, sei es die Verkehrsinfrastruktur, der kombinierte Verkehr, die Urbane Logistik, die letzte Meile, Wartezeiten an den Rampen oder der sich stetig verschärfende Personalmangel, stellt die Digitalisierung zahlreiche innovative Konzepte in Aussicht. Sie bietet beeindruckende Werkzeuge für die Vernetzung von Mensch und Maschine oder beim Einsatz intelligenter autonomer Systeme.
Herausforderung mit großem Nutzen
Die Digitalisierung bedeutet für Supply Chain Manager und Logistiker in Industrie, Handel und Dienstleistung eine Herausforderung. Hohe Investitionen sowie neue Denk- und Arbeitsweisen sind nötig – mit Auswirkungen auf Personal, Qualifikation und Organisation. Digitale Technologien erfordern ein hohes Niveau an technischem Knowhow: maschinelles Lernen, Datenerfassung und -verarbeitung sowie die Automatisierung „intelligenten“ Verhaltens von Maschinen braucht Informatik-Profis. Wobei der Begriff „intelligent“ an dieser Stelle irreführend sein kann: Künstliche Intelligenz kann große Datenmengen schnell sammeln und auswerten – aber bislang sind unvorhergesehene und unregelmäßige Situationen nur schwer zu bewältigen. Auch die Lerngeschwindigkeit ist noch vergleichsweise gering. Der Mensch hat also ganz und gar nicht ausgedient. Dennoch gibt es zahlreiche sinnvolle Anwendungen von KI in der Logistik, um verborgene Datenschätze aufzuspüren, verschiedene Datenbanken miteinander zu verbinden und mehrfach vorliegende Informationen zu konsolidieren.
Das Zauberwort Prozessoptimierung
Die Digitalisierung bietet vor allem in der Planung der Abläufe immense Vorteile. Der Einsatz von KI kann Vorhersagen künftiger Bedarfe deutlich präzisieren. Planung und Steuerung lassen sich auf der Basis von Echtzeitdaten optimieren. Damit gehen Prozessvereinfachungen und Effizienzsteigerungen einher – und die Qualität logistischer Leistungen steigt, weil Wartezeiten verkürzt, Ressourcen optimiert und Störungsursachen im Geflecht komplexer Zusammenhänge schneller identifiziert werden können. Die Einsatzmöglichkeiten sind zahlreich: von intelligenten Zugangsanlagen, die per Kamera erkennen, wer vor dem Wareneingang steht, über intelligente Paletten, die bemerken, wenn sie bewegt werden, bis zum Supermarktregal, das dem Kunden individuelle Einkaufstipps gibt. Nahezu alles kann digitalisiert werden und per KI-Algorithmus individualisierte Daten liefern – Unternehmensdaten oder persönliche Daten. Die Automatisierung, beispielsweise von Picking, Packing und Verladung, kann weitere Zeitvorteile bringen, steht aber bei vielen Belangen noch am Anfang.
Entlastung auch für Mitarbeiter und die Umwelt
Digitale Technologien sind bei speziellen Aufgabenstellungen schneller und präziser als der Mensch – und können so die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit ganz wesentlich entlasten. KI kann durch die Verarbeitung großer Datenmengen zu schnelleren Lösungen und Entscheidungen kommen als der erfahrenste Mitarbeiter. Wenn dadurch Warenflüsse gebündelt, Ressourcen besser ausgelastet, und Lieferwege reduziert werden, hat das auch günstige Folgen für die Umwelt. Durch unterstützende Systeme, wie Exoskelette oder selbstfahrende Transportroboter können dann auch Mitarbeiter bei körperlich belastenden Tätigkeiten gesundheits- und produktivitätsfördernden Support erhalten.
Die Technik ist da – das Mindset muss stimmen
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung sind also gegeben – nun sind die Unternehmen und die Politik gefordert. Die digitale Infrastruktur muss stimmen – Stichwort 5g-Netz – entsprechende Fördertöpfe für den kostenintensiven Ausbau können ebenfalls helfen, wie eine „digitalfreundliche“ Gesetzgebung, die Innovationen nicht noch zusätzliche Steine in den Weg legt. In den Unternehmen steht neben einer gewissen Investitions- und Risikobereitschaft vor allem ein Umdenken in Richtung „New Work“ an – auf allen Ebenen. Flexibilität und die Bereitschaft sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen muss ebenso Einzug halten, wie die Bereitschaft, alte Arbeitsmodelle zu überdenken – ohne dabei nur auf die Reduzierung der Mitarbeiterschaft zu blicken. Denn im Mittelpunkt der Digitalisierung muss trotz allem stets der Mensch stehen.