Wie sieht Supply-Chain-Management im Jahr 2016 aus? Was erwartet uns? Vieles deutet darauf hin, dass SCM in Zukunft sogar noch mehr auf den Kunden gerichtet sein könnte als bisher. Dies lässt sich an folgenden Beobachtungen festmachen:
1. Die neue Kernkompetenz: “Analyse von Kundendaten”
Schon bisher haben sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und Nicht-Kernprozesse konsequent ausgelagert. Apple etwa – von Endkunden als Hersteller von Smartphones wahrgenommen – lässt diese bekanntlich durch Auftragsfertiger herstellen und konzentriert sich auf F&E sowie Vermarktung – die altbekannte Smiling Curve! Doch es zeigt sich, dass erfolgreiche Unternehmen sich zunehmend auf die Fähigkeit konzentrieren, Kundendaten analysieren zu können. Während somit Kundendaten-Management zum Kerngeschäft wird, stellen diese Unternehmen quasi nur noch beiläufig auch Telefone oder sogar Autos her. In der Tat hat ein Konsortium aus deutschen Autobauern erst kürzlich einen Karten-Dienstleister übernommen, wodurch die beteiligten Autobauer in Zukunft besseren Zugriff auf Nutzerdaten erhalten werden. Denn selbst deutsche Ingenieurskunst könnte bald nicht mehr die Kernkompetenz in der Automobilindustrie darstellen. Tesla hat vorgemacht, wie schnell man mit innovativen Ideen beinahe über Nacht auf dem Markt erfolgreich sein kann. Wenn deutsche Autobauer nicht aufpassen, könnten Autos bald von innovativen IT-Giganten aus dem Silicon Valley angeboten werden und die Ingenieurleistung lediglich von traditionellen Automobilherstellern zugekauft werden – so wie heute schon die Smartphone-Fertigungsprozesse von Foxconn. Denn wenn solche IT-Giganten etwas besonders gut können, dann ist es die Beherrschung der neuen Kernkompetenz: Analyse von Kundendaten! Wenn es einmal ein deutsches Google mit einer solche Kernkompetenz geben soll, dann müssen Unternehmen hierzulande lernen, die Potenziale der Berliner Kreativwirtschaft – dem deutschen Silicon Valley – zu nutzen, statt weiterhin auf innovationsfeindliche Anzughierarchien zu vertrauen. Vielleicht hätte es den VW-Abgasskandal dann nie gegeben.
2. Zurückverlagerung von Fertigungsprozessen in Absatzmärkte
China ist längst kein Eldorado mehr für Lohnkosten und Hoffnungen, dass Indien oder Afrika zum “neuen China” werden könnten, haben sich wegen der schlechten Infrastruktur und hohen Bürokratie bislang nicht erfüllt. Doch neue Technologien erlauben es zunehmend auch unabhängig von den Lohnkosten zu fertigen. Dies gilt nicht nur für den 3D-Druck, der zunächst wohl eher nur einige Nischen füllen wird. Beispielsweise wird Adidas demnächst eine von Robotern betriebene “Speedfactory” in Deutschland eröffnen. Auch Nike soll schon bald einen ähnlichen Weg gehen. Modebewusste Endkunden werden so bald noch schneller ihre Produkte erhalten können. Dieser Trend, näher an den Absatzmärkten zu fertigen, erlaubt ganz nebenbei noch eine Individualisierung von Lieferketten unter Berücksichtigung regionaler Eigenarten.
3. Eine Nachhaltigkeitsrevolution im SCM
Unruh (2015) fasste es neulich wie folgt zusammen: “Eine Faustregel, die ich Managern mit auf den Weg gebe ist: Wenn Ihre Nachhaltigkeits-Performance-Indikatoren sich nur dann verbessern, wenn Kunden ihr Produkt seltener benutzen, dann haben sie ein Problem.” Kunden wünschen vermehrt nachhaltige Produkte, Produkte mit null CO2-Ausstoß und ohne jeglichen Ressourcenverbrauch. Und selbst wenn die Kunden es nicht wünschen, dann könnten es nach dem Pariser Klimaabkommen schon bald die Gesetzgeber fordern. Ein frühzeitiges Umdenken ist gefordert! Was wir also benötigen sind Geschäftsmodelle, die “echte” Nachhaltigkeit enthalten. Supply-Chain-Management im Sinne einer Kreislaufwirtschaft kann einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Jahr 2016!
Dr. Andreas Wieland, Asst. Professor of Supply Chain Management, Copenhagen Business School