Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle ist weitgehend Chefsache
Kommentar von Professor Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik (BVL)
Es war schon beim BVL-/VDA-Forum Automobillogistik Mitte Februar im Mercedes-Benz-Werk in Bremen zu spüren: Die Stimmung unter den Logistikern aus Industrie, Handel und Dienstleistung ist im ersten Quartal 2017 von Gelassenheit und Optimismus geprägt. Nicht geopolitische Ereignisse dominieren die Diskussionen, sondern Strategie und Praxis – und hier vor allem die Chancen und Risiken des Digitalisierungsprozesses, der alle Handlungsfelder von Supply Chain Management und Logistik erfasst hat.
Das Bundeswirtschaftsministerium berichtet zudem, die deutsche Wirtschaft sei 2016 preisbereinigt um 1,9 Prozent gewachsen. Die Arbeitslosigkeit befinde sich auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren und Deutschland verzeichne mit mehr als 43,5 Millionen Erwerbstätigen erneut einen Beschäftigungsrekord. Die realen Nettolöhne und -gehälter seien seit 2013 durchschnittlich um mehr als 1,4 Prozent pro Jahr gestiegen. Die anhaltende binnenwirtschaftliche Dynamik durch Konsumausgaben und Wohnungsbauinvestitionen zeigt Wirkung. So legt auch der Klimawert des Logistik-Indikators verglichen mit dem Vorquartal nochmals zu – auf den höchsten Stand seit Herbst 2011.
Beide Marktseiten liegen mit ihren Klimawerten um rund zehn Punkte über dem Indikatordurchschnitt der letzten zehn Jahre. Die langfristigen Erwartungswerte werden von allen Marktbeteiligten mindestens auf stabilem Niveau oder höher angegeben – ein Indiz für eine robuste Gesamtsituation. In der Dreimonatsperspektive wird mehrheitlich eine Nettoverbesserung des Logistikgeschäfts erwartet – mehr Euphorie geht nicht.
Mit der Zusatzfrage zum Indikator wurde herausgearbeitet, dass in der Praxis die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle in Industrie, Handel und Dienstleistung in mehr als 60 Prozent der Betriebe durch die Leitungsebene vorangetrieben werden. Rund die Hälfte der Unternehmen geben an, dass sie von ihren Kunden deutliche Signale erhalten, dass innovative Lösungen gewünscht sind. Im Innovationsprozess werden von der Mehrheit der Unternehmen kalkulierbare Risiken eingegangen und Fehler als kreativer Teil des Innovationsprozesses akzeptiert. Den Satz „Wir können uns Fehler – auch in diesem Prozess – nicht leisten“ unterschreiben weniger als fünf Prozent der Befragten.
Zusammen mit den Erkenntnissen der Studie „Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management“, die die BVL Anfang März veröffentlicht hat, sind diese Ergebnisse ein gutes Signal für die Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung. Strategisch, taktisch und operativ, bei Sachinvestitionen und bei der Qualifizierung der Mitarbeiter/innen wird die Digitale Transformation das Jahr 2017 dominieren. Die BVL trägt dem mit ihrer inhaltlichen Arbeit Rechnung und hat das Jahr und den 34. Deutschen Logistik-Kongress im Oktober unter das Motto gestellt: „Neues denken - Digitales leben“. Die gute Konjunktur wird helfen, zielführende neue Wege ohne Zögern zu wagen.